Seite erstellt am 18.08.1998
 Seite aktualisiert am 27.03.2017

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Fachkreis Gerontopsychologie

Zum konzeptionellen Profil einer psychologischen Gerontologie

Allgemeines zur Gerontologie

Die Gerontologie definiert sich als Wissenschaft vom Altern und vom Alter (vgl. http://www.geroweb.de). Sie befasst sich mit sämtlichen alternsrelevanten Fragen, vor allem mit der Beschreibung, Erklärung und Modifikation von körperlichen, psychischen, sozialen, historischen und kulturellen Aspekten des Alterns und des Alters. Dazu zählen auch alternsrelevante Umwelten und sozialen Institutionen. Hauptziel der Gerontologie ist, Alternprozesse zu optimieren.

Die Gerontologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die die Psychologie, Ökonomie, Soziologie, Biologie und andere Geisteswissenschaften streift. Gerontologie steht quer zu herkömmlichen Fächern und leitet ihre Relevanz aus Anforderungen der Praxis ab. Gerontologie trägt die Erkenntnisse der Einzelwissenschaften zusammen um sie für Altenhilfe und Altenarbeit nutzbar zu machen. Gerontologie dient als hauptsächlich angewandte Forschung der Praxis- und Politikberatung.

Informationsmöglichkeiten zur Gerontologie finden sich in einem umfangreichen Bestand an Monographien und Fachzeitschriften.

Für den deutschsprachigen Raum ist vor allem die "Zeitschrift für Gerontopsychologie und -psychiatrie“ zu erwähnen. Dort findet sich u. a.eine differenzierte (21 Einzelbeiträge umfassende) Dokumentation zu dem Forschungsprojekt über "Bedingungen der Erhaltung und Förderung von Selbständigkeit im höheren Lebensalter (SIMA)".

Gute Informationsmöglichkeiten gibt es auch im Internet. Besonders zu erwähnen sind hier als Internetadressen

  • für einen Gesamtüberblick unter angemessener Berücksichtigung von psychologischen Fachbeiträgen
    - das GEROWEB: http://www.geroweb.de
    - Links des Deutschen Zentrums für Alternsforschung (DZFA)   http://www.dzfa.uni-heidelberg.de/links.html
  • als Grundlage politischer Bewertungen der umfangreiche Dritte Altenbericht / Forschungsbericht der Bundesregierung zur Lage der älteren Generation
        http://www.geroweb.de/altenbericht/altenbericht.html 
  • gesondert aufbereitete, gebührenfrei zugängliche gerontologische und demographische Daten sowohl der amtlichen Statistik wie auch der empirischen Sozialforschung über ältere Menschen in Deutschland durch das statistische Bundesamt (Projektförderung durch Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)
        http://www.gerostat.de/ 
  • Schließlich vermittelt das Internet zunehmend einen Überblick zu Leistungsangeboten (z.B. über Beratungs- oder Therapieangebote) für ältere Menschen, die durch PsychologInnen - meist freiberuflich - bereitgestellt werden.
  • Das auf Initiative der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen entstandene, unter Koordination des Instituts für Psychologie der Universität in Bonn gestaltete Angebot zum Seniorenweb wird gesondert beschrieben.

Zum Profil einer psychologischen Gerontologie

1. Zum wissenschaftlichen Grundverständnis

Das Selbstverständnis der im gerontologischen Bereich tätigen PsychologInnen ist durch folgende Grundauffassungen und -anforderungen stark geprägt (vgl. Link 1999):

  • Wissenstransfer, Vertrautheit mit interdisziplinärer Arbeit
  • Kontinuierliche Wechselwirkung und Verbindung von Wissenschaft und Praxis
  • Vorrangige Bearbeitung von wissenschaftlichen Fragestellungen für die Berufspraxis
  • Beiträge zur praktischen Verbesserung der Lebensbedingungen älterer Menschen und zum besseren Verständnis von 
    Alterungsprozessen
  • Mehrdimensionale Erklärung der Lebenssituation im Alter - im Kontrast zu biologistischen und deterministischen Betrachtungen - durch 
    – körperliche Voraussetzungen, aber eben zusätzlich durch
    – individuell-psychische Bedingungen und
    – umweltliche Bedingungen (ökologische Verankerung)
  • Aufgaben der gesellschaftlich-sozialen Verbesserung von Lebensbedingungen
  • Fokussierung auf die alltägliche Lebenswelt als systemisches Orientierungsmaß für Teilanalysen
  • Subjektzentrierung mit Selbstbestimmung als zentraler Wertkategorie

These 1:

Der Fachkreis "Gerontopsychologie" geht von diesen Grundauffassungen aus.

Zusätzlich ist für psychologische Beiträge zur Gerontologie - über sozialwissenschaftliche Methoden hinaus - auch der Einsatz experimenteller verhaltenswissenschaftlicher Methoden und Verfahren sinnvoll, um spezifische Bedingungszusammenhänge zu überschaubaren Fragestellungen präziser abzuklären.

2. Psychologische Schwerpunktthemen im interdisziplinären Kontext

Einen immer noch lesenswerten interdisziplinären Überblick mit umfangreichen psychologischen Fachbeiträgen bietet das Funkkolleg ”Altern“ des mittlerweile aufgelösten Deutschen Institut für Fernstudien 1996/97.

Von den 20 Studieneinheiten stammen 7 von folgenden PsychologInnen:

  • 01. Die vielen Gesichter des Alterns heute (A.Niederfranke, R.Schmitz-Scherzer, S.H.Filipp)
  • 03. Biographische Aspekte des Alterns (S.H.Filipp)
  • 05. Psychologische Aspekte des Alterns (A.Kruse, U.Lehr)
  • 09. Auseinandersetzung mit Sterben und Tod (R.Schmitz-Scherzer)
  • 10. Frauen und Männer altern unterschiedlich (A.Niederfranke)
  • 14. Familienbeziehungen und soziale Netzwerke (I.Fooken)
  • 15. Wohnen und Alltag im Alter (M.Reichert, W.Saup)

Viele der von PsychologInnen mit ihrer Sachkompetenz bearbeiteten Themen beziehen sich auf allgemeine Grundperspektiven. Viele der praxisnahen Aufgabenstellungen werden im Kolleg hingegen von VertreterInnen anderer Fachdisziplinen - Medizin, Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Sozialgeriatrie - dargestellt.

Einen wichtigen neuen Beitrag hat die für die Alternsforschung bekannte Psychologieprofessorin Ursula Lehr beim LandespsychologInnentag der BDP-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen am 22.04.2004 zum Thema "Der demographische Wandel - Junge und Alte in unserer Gesellschaft" geleistet.

These 2:
Für den Fachkreis besteht es ein wichtiges berufspolitisches Anliegen darin, auch für die praxisnahen Aufgabenstellungen des Alterns psychologische Beiträge und Leistungsmöglichkeiten hervorzuheben.

Psychologische Facherkenntnisse, die sich für Problemlösungen nutzen lassen, berühren ein sehr breites Spektrum von Fragestellungen aus unterschiedlichen psychologischen Praxisfeldern, die auch im BDP vertreten sind.

3. Mangel an praxisorientierten konzeptionelle Ansätze für "Gesundes Altern"

Ganz allgemein läßt sich festhalten (dies soll nicht als personbezogene Kritik an namhaften Fachvertreter/innen missverstanden werden), dass sich psychologische Analysen zu Selbstständigkeit und Aktivität im Alter befassen sich bisher überwiegend mit Themen der Verarbeitung belastender Situationen im Alter und der Erhaltung psychischer Stabilität in Grenzsituationen (meist im Kontext von Stressmodellen).

Demgegenüber befassen sie sich wenig mit genuin gesundheitsförderlichen Einflussbedingungen.

These 3:
Der Fachkreis will das Konzept "Gesundes Altern" fachlich und beruflich durch die Entwicklung und Erprobung von eigenständigen gesundheitsförderlichen praxisnahen Interventionsmöglichkeiten mit Leben füllen.
 

Literatur

Link, E.: Unselbständigkeit im Alter aus ökologischer Perspektive. Kassel: University Press 1999. (IAG Interdisziplinäre Arbeitsgruppe für Angewandte Soziale Gerontologie Kassel)

Aus dem Institut für Psychogerontologie der Universität Erlangen >