Julia Scharnhorst 03.07.2004
Der Verband der Angestellten Krankenkassen (VdaK) hat im Juni 2000 gemeinsam
mit den anderen gesetzlichen Krankenkassen einen Leitfaden zur Prävention und Gesundheitsförderung
(in der Fassung vom 12.09.2003) beschlossen, in dem die Kriterien für
Maßnahmen der Primärprävention und der betrieblichen Gesundheitsförderung nach §
20 SGB V festgelegt sind. Darin wird z. B. beschrieben, welche
Qualifikationsanforderungen an Dozenten und Kurse zu stellen sind, die von den
Krankenkassen zur Gesundheitsförderung ihrer Versicherten angeboten werden. Bei
der Individualprävention werden vier Handlungsfelder unterschieden:
- Bewegungsgewohnheiten
- Ernährung
- Stressreduktion / Entspannung
- Genuss- und Suchtmittelkonsum
Der Leitfaden unter dem einprägsamen Titel „Gemeinsame und einheitliche
Handlungsfelder und Kriterien der Spitzenverbände der Krankenkassen zur
Umsetzung von § 20 Abs. 1 und 2 SGB V“ wird zur Zeit Schritt für Schritt
überarbeitet.
Im Juni 2004 hatte der VdaK daher Experten aus verschiedenen Verbänden
eingeladen, um das Handlungsfeld „Stressreduktion / Entspannung“ zu beraten. Für
den BDP nahmen Vertreter der Fachgruppe Entspannungsverfahren und des
Fachbereichs Gesundheitspsychologie der Sektion GUS teil.
Der VdaK hatte folgenden Hintergrund für das Expertengespräch: „Bei der
Entwicklung der zur Zeit gültigen Fassung des Handlungsfeldes sind wir davon
ausgegangen, dass Maßnahmen, die stressbedingten Erkrankungen bzw.
Risikoprofilen entgegenwirken, nur im Rahmen eines integrierten Ansatzes wirksam
sind. Dazu gehören neben der verhaltensorientierten Stressbearbeitung auch das
Erlernen von Verfahren der Stressbewältigung wie z. B. autogenes Training,
Progressive Muskelentspannung sowie Tai Chi, Qi-gong und Yoga aus dem
fernöstlichen Kulturkreis. Die Praxis zeigt jedoch, dass sich in der Mehrzahl
der angebotenen Präventionskurse dieser integrierte Ansatz der Stressbewältigung
nicht wieder findet. Sie sind vielmehr fast ausschließlich auf das Erlernen von
Entspannungsverfahren ausgerichtet. Dadurch wird dem Aspekt der Stresserkennung
und der Analyse der eigenen Belastungssituation häufig nicht Rechnung getragen.“
Drei Leitfragen wurden vom VdaK für die Diskussion gestellt:
- Ist eine Trennung der Kurse zu Entspannungsverfahren und Stressbewältigung
sinnvoll?
- Ist eine Trennung in östliche und westliche Verfahren sinnvoll?
- Welche Qualifikationen oder welches Anforderungsprofil sind von Dozenten
für Kurse der fernöstlichen Methoden zu fordern?
Von der Fachbereichsleiterin Gesundheitspsychologie wurde die Auffassung
vertreten, jeweils getrennte Kurse für Stressbewältigung und Entspannung
anzubieten. Dies entspricht der gängigen Praxis und findet sich z. B. auch in
der Ratgeberliteratur und in Fortbildungsangeboten wieder. Wenn beide Bereiche
getrennt angeboten werden, werden die Kurse nicht thematisch überfrachtet.
Außerdem ist nicht jedes Entspannungsverfahren für jeden gleich gut geeignet.
Nach einer allgemeinen Einführung in die Stressbewältigung könnte sich dann
jeder Versicherte noch in einem für ihn passenden Entspannungskurs anmelden.
Reicht vielleicht schon das alleinige Erlernen einer Entspannungsmethode zur
besseren Stressbewältigung? Dies wurde verneint, gezielte Stressbewältigung muss
zusätzlich vermittelt werden, um auch den Transfer in den Alltag zu
gewährleisten.
Es zeigte sich auch, dass die Qualifikationen der Anbieter von westlichen und
östlichen Methoden sehr unterschiedlich sind. Während die westlichen Methoden
großenteils von Dozenten mit akademischer Ausbildung (dabei natürlich zahlreiche
Psychologen) angeboten werden, sind bei den östlichen Verfahren viele
Seiteneinsteiger als Lehrende anzutreffen. Es wurden neben den Kenntnissen im
Verfahren auch pädagogisch-didaktische Qualifikationen gefordert. Um die für die
östlichen Verfahren nötigen Qualifikationen festzulegen, wird wohl noch mal ein
eigener Arbeitskreis tagen.
Die Experten machten zahlreiche weitere Vorschläge zur Verbesserung des
Präventionsangebots durch die Krankenkassen:
- Beratung der Versicherten, welches Entspannungsverfahren oder welcher Kurs
für sie geeignet sind, z. B. auch anhand einer Check-Liste
- Evaluation von Kursen
- Die ankündigenden Informationen über angebotene Kurse sollten gezielter
beschreiben, welche Zielgruppe mit welchen Angeboten angesprochen wird.
- Abkehr vom reinen Kurskonzept, mehr Individualbetreuung, Nutzung neuer
Medien
- Maßnahmen müssen auch für sozial Benachteiligte entwickelt werden.
- Es sollten niedrig-schwellige Angebote für Menschen entwickelt werden, die
noch nicht bereit sind für thematisch spezialisierte Kurse, sondern die eher
Sensibilisierung für ein Thema und Motivation brauchen.
Trotz lebhafter Diskussion konnten in dem Gespräch noch keine abschließenden
Ergebnisse gefunden werden. Es ging bislang eher um das genauere Umschreiben des
gesamten Problemfeldes. Hier werden evtl. verschiedene Arbeitskreise den VdaK
weiter beraten. Die Handlungsmöglichkeiten der Krankenkassen sind ja auch sehr
stark vom gesetzlichen Rahmen vorgegeben. Viele der Wünsche der Experten können
allein deswegen sicherlich nicht erfüllt werden.
Der BDP wird als Reaktion auf die Überarbeitung des Präventions-Leitfadens
den Krankenkassen wieder Angebote zur fachlichen Unterstützung bei verschiedenen
der genannten Aufgaben unterbreiten, z. B. Beratung der Versicherten vor einem
Kursbesuch, Evaluation, Konzepte für sozial Benachteiligte oder noch nicht so
problembewusste Menschen. Falls einige der Krankenkassen an diesen Angeboten
Interesse zeigen, ist der BDP dann auch in der Pflicht, diese Aufgaben mit Hilfe
von fachlich qualifizierten und versierten KollegInnen umzusetzen. Hier kommen
evtl. noch Betätigungsfelder auf uns zu.
Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst, MPH
Leitung Fachbereich Gesundheitspsychologie, BDP
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