Seite erstellt am 18.08.1998
 Seite aktualisiert am 27.03.2017

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Überarbeitung der Präventionsrichtlinien der Krankenkassen

Julia Scharnhorst 03.07.2004

Der Verband der Angestellten Krankenkassen (VdaK) hat im Juni 2000 gemeinsam mit den anderen gesetzlichen Krankenkassen einen Leitfaden zur Prävention und Gesundheitsförderung (in der Fassung vom 12.09.2003) beschlossen, in dem die Kriterien für Maßnahmen der Primärprävention und der betrieblichen Gesundheitsförderung nach § 20 SGB V festgelegt sind. Darin wird z. B. beschrieben, welche Qualifikationsanforderungen an Dozenten und Kurse zu stellen sind, die von den Krankenkassen zur Gesundheitsförderung ihrer Versicherten angeboten werden. Bei der Individualprävention werden vier Handlungsfelder unterschieden:

  • Bewegungsgewohnheiten
  • Ernährung
  • Stressreduktion / Entspannung
  • Genuss- und Suchtmittelkonsum

Der Leitfaden unter dem einprägsamen Titel „Gemeinsame und einheitliche Handlungsfelder und Kriterien der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Umsetzung von § 20 Abs. 1 und 2 SGB V“ wird zur Zeit Schritt für Schritt überarbeitet.

Im Juni 2004 hatte der VdaK daher Experten aus verschiedenen Verbänden eingeladen, um das Handlungsfeld „Stressreduktion / Entspannung“ zu beraten. Für den BDP nahmen Vertreter der Fachgruppe Entspannungsverfahren und des Fachbereichs Gesundheitspsychologie der Sektion GUS teil.

Der VdaK hatte folgenden Hintergrund für das Expertengespräch: „Bei der Entwicklung der zur Zeit gültigen Fassung des Handlungsfeldes sind wir davon ausgegangen, dass Maßnahmen, die stressbedingten Erkrankungen bzw. Risikoprofilen entgegenwirken, nur im Rahmen eines integrierten Ansatzes wirksam sind. Dazu gehören neben der verhaltensorientierten Stressbearbeitung auch das Erlernen von Verfahren der Stressbewältigung wie z. B. autogenes Training, Progressive Muskelentspannung sowie Tai Chi, Qi-gong und Yoga aus dem fernöstlichen Kulturkreis. Die Praxis zeigt jedoch, dass sich in der Mehrzahl der angebotenen Präventionskurse dieser integrierte Ansatz der Stressbewältigung nicht wieder findet. Sie sind vielmehr fast ausschließlich auf das Erlernen von Entspannungsverfahren ausgerichtet. Dadurch wird dem Aspekt der Stresserkennung und der Analyse der eigenen Belastungssituation häufig nicht Rechnung getragen.“

Drei Leitfragen wurden vom VdaK für die Diskussion gestellt:

  • Ist eine Trennung der Kurse zu Entspannungsverfahren und Stressbewältigung sinnvoll?
  • Ist eine Trennung in östliche und westliche Verfahren sinnvoll?
  • Welche Qualifikationen oder welches Anforderungsprofil sind von Dozenten für Kurse der fernöstlichen Methoden zu fordern?

Von der Fachbereichsleiterin Gesundheitspsychologie wurde die Auffassung vertreten, jeweils getrennte Kurse für Stressbewältigung und Entspannung anzubieten. Dies entspricht der gängigen Praxis und findet sich z. B. auch in der Ratgeberliteratur und in Fortbildungsangeboten wieder. Wenn beide Bereiche getrennt angeboten werden, werden die Kurse nicht thematisch überfrachtet. Außerdem ist nicht jedes Entspannungsverfahren für jeden gleich gut geeignet. Nach einer allgemeinen Einführung in die Stressbewältigung könnte sich dann jeder Versicherte noch in einem für ihn passenden Entspannungskurs anmelden.

Reicht vielleicht schon das alleinige Erlernen einer Entspannungsmethode zur besseren Stressbewältigung? Dies wurde verneint, gezielte Stressbewältigung muss zusätzlich vermittelt werden, um auch den Transfer in den Alltag zu gewährleisten.

Es zeigte sich auch, dass die Qualifikationen der Anbieter von westlichen und östlichen Methoden sehr unterschiedlich sind. Während die westlichen Methoden großenteils von Dozenten mit akademischer Ausbildung (dabei natürlich zahlreiche Psychologen) angeboten werden, sind bei den östlichen Verfahren viele Seiteneinsteiger als Lehrende anzutreffen. Es wurden neben den Kenntnissen im Verfahren auch pädagogisch-didaktische Qualifikationen gefordert. Um die für die östlichen Verfahren nötigen Qualifikationen festzulegen, wird wohl noch mal ein eigener Arbeitskreis tagen.

Die Experten machten zahlreiche weitere Vorschläge zur Verbesserung des Präventionsangebots durch die Krankenkassen:

  • Beratung der Versicherten, welches Entspannungsverfahren oder welcher Kurs für sie geeignet sind, z. B. auch anhand einer Check-Liste
  • Evaluation von Kursen
  • Die ankündigenden Informationen über angebotene Kurse sollten gezielter beschrei­ben, welche Zielgruppe mit welchen Angeboten angesprochen wird.
  • Abkehr vom reinen Kurskonzept, mehr Individualbetreuung, Nutzung neuer Medien
  • Maßnahmen müssen auch für sozial Benachteiligte entwickelt werden.
  • Es sollten niedrig-schwellige Angebote für Menschen entwickelt werden, die noch nicht bereit sind für thematisch spezialisierte Kurse, sondern die eher Sensibilisierung für ein Thema und Motivation brauchen.

Trotz lebhafter Diskussion konnten in dem Gespräch noch keine abschließenden Ergebnisse gefunden werden. Es ging bislang eher um das genauere Umschreiben des gesamten Problemfeldes. Hier werden evtl. verschiedene Arbeitskreise den VdaK weiter beraten. Die Handlungsmöglichkeiten der Krankenkassen sind ja auch sehr stark vom gesetzlichen Rahmen vorgegeben. Viele der Wünsche der Experten können allein deswegen sicherlich nicht erfüllt werden.

Der BDP wird als Reaktion auf die Überarbeitung des Präventions-Leitfadens den Krankenkassen wieder Angebote zur fachlichen Unterstützung bei verschiedenen der genannten Aufgaben unterbreiten, z. B. Beratung der Versicherten vor einem Kursbesuch, Evaluation, Konzepte für sozial Benachteiligte oder noch nicht so problembewusste Menschen. Falls einige der Krankenkassen an diesen Angeboten Interesse zeigen, ist der BDP dann auch in der Pflicht, diese Aufgaben mit Hilfe von fachlich qualifizierten und versierten KollegInnen umzusetzen. Hier kommen evtl. noch Betätigungsfelder auf uns zu.

Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst, MPH
Leitung Fachbereich Gesundheitspsychologie, BDP