|  Seite erstellt am 18.08.1998 
        Seite aktualisiert am 
        27.03.2017
 | Maximilian Rieländer  18.08.2000 Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben – gemäß
  ihres Auftrages aus dem GKV-Reformgesetz – gemeinsame und einheitliche
  Grundsätze zur primären Prävention, betrieblichen Gesundheitsförderung und
  Selbsthilfeförderung beschlossen, um den erneuerten Paragraphen 20 SGB V
  umzusetzen: Primäre PräventionFür die primäre Prävention besteht – gemäß dem
  Gesetzesauftrag, sozial bedingte Ungleichheit von Gesundheitschancen zu
  vermindern – die schwierige Aufgabe, sozial benachteiligten Zielgruppen den
  Zugang zu Präventionsleistungen zu ermöglichen, während Präventionsangebote
  meist mehr durch relativ gesunde Personen mit höherem Sozialstatus in
  Anspruch genommen werden. Deshalb sind für die genannten Zielgruppen
  spezifische und niederschwellige Zugangswege auszuloten und zu erproben.   Als
  erfolgversprechend gilt dabei – gemäß der WHO-Projekte – der Setting-Ansatz
  (früher: ‚Verhältnisprävention’), d.h. der Zugang zu den Zielgruppen
  in ihren gegebenen sozialen Strukturen und die Durchführung von
  Gesundheitsprojekten in/für Familien, Kindergärten, Schulen, Betrieben und
  Gemeinden. Der Setting-Ansatz zielt auch über die aktive Beteiligung der
  Betroffenen einen Prozess von organisatorischen Veränderungen an, um
  gesundheitsgerechtere Strukturbedingungen zu schaffen. Der Setting-Ansatz
  bedarf innerhalb der jeweiligen Settings der Kooperation zwischen
  verschiedenen gesellschaftlichen Organisationen, Institutionen und informellen
  Gruppen sowie entsprechender finanzieller Kooperationen. Für den Setting-Ansatz werden Möglichkeiten und Ansätze
  der schulischen Gesundheitsförderung beispielhaft ausgeführt;
  Zielsetzungen und geeignete Organisationsprozesse werden genannt; Schulen wird
  ein „Schulprojektteam” empfohlen, das Analyse- und Planungsprozesse
  zugunsten einer ‚gesundheitsfördernden Schule’ begleiten kann.
  Finanzielle Beteiligungen der Krankenkassen werden für Modellprojekte zur
  schulischen Gesundheitsförderung nahegelegt. Für den individuellen Ansatz (früher:
  ‚Verhaltensprävention’) werden einzelne Handlungsfelder gemäß des
  Risikofaktorenkonzeptes separat dargestellt: Bewegung, Ernährung,
  Stressreduktion/Entspannung sowie Suchtprävention, jedoch mit dem Hinweis,
  „dass für eine erfolgreiche, ganzheitlich angelegte Prävention die Verknüpfung
  von Maßnahmen aus verschiedenen Handlungsfeldern sinnvoll sein kann“. Für
  die einzelnen Handlungsfelder werden Präventionskriterien, deren Wirksamkeit
  nachgewiesen ist, in Bezug auf Bedarf, Wirksamkeit, Zielgruppe, Ziel, Inhalt,
  Methodik und Anbieterqualifikation beschrieben. Präventionsmaßnahmen sollen
  Teilnehmer befähigen und motivieren, das erworbene Wissen bzw. die erworbenen
  Fertigkeiten/Übungen selbstständig anzuwenden und in ihren Alltag zu integrieren.
  Als angemessene Anbieterqualifikation gilt eine akademische Ausbildung mit
  schwerpunktmäßigen maßnahmenbezogenen Aus- und Fortbildungen. Für die
  Durchführung von Maßnahmen sollen ein Trainermanual sowie
  Teilnehmerunterlagen vorliegen. Für Präventionsmaßnahmen zur Stressreduktion/Entspannung,
  für den Diplom-PsychologInnen mit „anerkannter Zusatzqualifikation im
  Bereich Stressreduktions- und Entspannungsmethoden und Kenntnissen in
  verhaltenstherapeutischen Standardmethoden“ als vorrangige Anbieter genannt
  werden, wird folgende Zielsetzung genannt: „Durch den Aufbau von Bewältigungs-
  und Erholungskompetenz und präventiven Schutzfaktoren sowie die Stärkung
  persönlicher Ressourcen sollen chronische Stressfolgen vermieden und das
  Erregungsniveau gesenkt werden.“ 
  Als Zielgruppe gelten „Versicherte mit
  (nicht existentieller und behandlungsbedürftiger) Stressbelastung, die lernen
  wollen, damit sicherer und gesundheits-bewusster umzugehen“. Als Inhalte
  gelten: Definition von Stress, Analyse der eigenen Belastungssituation,
  Erkennen der Ursachen der Stressentstehung, Problemlösungsstrategien
  (kognitiv, emotional und physiologisch), aktive systematische Entspannung, Stärkung
  persönlicher Ressourcen, Kombinationsprogramme (z.B. mit Bewegung).
 Als Methoden werden erwähnt: verhaltenstherapeutisch orientierte systematische
  Trainingsprogramme für Gruppen mit einem ganzheitlicher Ansatz, Orientierung
  an individuellen Stressproblemen der Teilnehmer, Einbeziehung des sozialen
  Umfeldes, Anleitung zur Selbstbeobachtung in belastenden Situationen,
  praktische Einübung von Entspannungs- und Stressreduktionsmethoden, Anleitung
  für Übungen zu Hause.
 Für Präventionsmaßnahmen zur Suchtprävention, für
  den Diplom-PsychologInnen mit „anerkannter Zusatzqualifikation im Bereich
  Suchtberatung und Erwachsenenbildung“ als vorrangige Anbieter genannt
  werden, gelten „Versicherte mit riskantem, schädlichem Konsumverhalten“
  als Zielgruppe.
  Ziele sind: Förderung eines kritischen und bewussten Umgangs
  mit Genussmitteln, Stärkung der persönlichen Kompetenzen im
  gesundheitsbewussten Umgang mit Belastungen, Förderung eines positiven
  gesellschaftlichen Images eines gesundheitsbewussten und suchtmittelfreien
  Lebens. Als Inhalte gelten: Aufklärung über physische und psychische Wirkung
  von Genuss- und Rauschmitteln, Reflektion von Genussfähigkeit und
  Belastungsbewältigung unter besonderer Berücksichtigung von Erfahrungen mit
  psychisch wirksamen Substanzen, Reflektion des persönlichen Konsums und
  Sensibilisierung für die Übergänge zwischen Genuss - Missbrauch -
  Abhängigkeit,
  Vermittlung von Wissen hinsichtlich der Entwicklung von nikotin- und
  alkoholassoziierten Erkrankungen sowie von Abhängigkeit, Darstellung von
  Hilfs- und Behandlungsmöglichkeiten, Förderung protektiver Faktoren, Stärkung
  von persönlichen Ressourcen.
 Als Methoden werden erwähnt: Schaffung
  geeigneter Kommunikations- und Informationsstrukturen, spezifische
  Ausrichtung auf die jeweilige Zielgruppe in der methodischen und inhaltlichen
  Umsetzung, bei Bedarf Einbindung von Familienangehörigen sowie Berücksichtigung
  sozialer Systeme und Peergruppen, aufsuchende Programme zur Alkohol- und
  Drogenprävention (z.B. Schule), verhaltensorientierter Ansatz in Gruppen.
 Für die Dokumentation und Erfolgskontrolle von
  Präventionsmaßnahmen sollen zweckmäßige Verfahren aufgebaut und etabliert
  werden. Die Krankenkassen wollen für finanzierte Maßnahmen ein
  Dokumentationsinstrument zur Verfügung stellen und Dokumentationen jährlich
  kassenartenspezifisch auswerten. Bezüglich der Erfolgskontrolle wollen sich
  die Krankenkassen ebenfalls auf ein gemeinsames und einheitliches Instrument
  einigen. Zur Weiterentwicklung der Prävention können auch Modellprojekte
  mit innovativen Präventionsmaßnahmen gefördert werden, um durch
  begleitende Dokumentation und Evaluation die Wirksamkeit weiterer Präventionsprinzipien
  zu erproben. Zur Weiterentwicklung von Präventionsleistungen
  wollen die Krankenkassen – gemäß dem gesetzlichen Auftrag zur Hinzuziehung
  „unabhängigen Sachverstandes“ – eine „Beratende Kommission der
  Spitzenverbände der Krankenkassen für Primärprävention und betriebliche
  Gesundheitsförderung” einrichten. Zu dieser Kommission werden als fester
  Kern Vertreter folgender Organisationen gehören: Sachverständigenrat für
  die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, 
  Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Bundesvereinigung für
  Gesundheit, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und
  Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften. 
  Themenspezifisch können weitere
  Experten hinzugezogen werden. Aufgaben der Kommission sind: Mitwirkung bei
  der Qualitätssicherung bzw. Bewertung der Ergebnisse, die im Bereich der Primärprävention
  und betrieblichen Gesundheitsförderung erzielt wurden, Erfahrungsaustausch über
  Praxismodelle und Weitergabe wissenschaftlicher Erkenntnisse,
  Weiterentwicklung von Auswertungsmethoden für gesundheitsbezogene Daten und
  Ableitung geeigneter Präventionsmaßnahmen, Fortentwicklung des Leitfadens
  zur Prävention, Initiierung von weiteren Kooperationen. Betriebliche GesundheitsförderungDie Krankenkassen beschäftigen sich seit mehreren
  Jahren intensiv mit der betrieblichen Gesundheitsförderung; sie sehen darin
  den besten Zugang und Setting-Ansatz zur Gesundheitsförderung für erwachsene
  Menschen, wobei sie mit der WHO-Konzeption ‚Gesundheit21’ übereinstimmen. Die Krankenkassen betonen, dass in Betrieben eine
  gesundheitsförderliche Organisationsentwicklung zur Voraussetzung für die
  Effektivität weiterer einzelner Gesundheitsförderungsmaßnahmen gehört. Die
  Unterstützung einer gesundheitsförderlichen
  Organisationsentwicklung in Betrieben durch Initiations-, Beratungs-,
  Moderations- und Evaluationsaktivitäten erscheint notwendig und wird
  indirekt als prioritäres
  Handlungsfeld beschrieben. Solche Unterstützungsaktivitäten sollten Kenntnisse aus
  der Arbeits- Betriebs- und Organisationspsychologie verstärkt integrieren und
  könnten auch von qualifizierten externen Fachleuten (z.B. freiberufliche
  PsychologInnen im Feld der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie)
  geleistet werden. Als Handlungsfelder für einzelne Gesundheitsförderungsmaßnahmen
  werden genannt: arbeitsbedingte körperliche Belastungen, insbesondere
  Vorbeugung und Reduzierung arbeitsbedingter Belastungen des
  Bewegungsapparates, Betriebsverpflegung, Stressmanagement, 
  gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung, Suchtprävention. SelbsthilfeförderungDie Grundsätze zur Selbsthilfeförderung haben die
  Krankenkassen in Kooperation mit den 3 wesentlichen Dachverbänden der
  Selbsthilfe (Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte, Deutscher Paritätischer
  Wohlfahrtsverband, Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen)
  beschlossen. Die Krankenkassen sind bereit, Selbsthilfegruppen,
  Selbsthilfe-Organisationen und Selbsthilfe-Kontaktstellen finanziell zu
  unterstützen, wobei sie ihre finanziellen Unterstützungen nur als Ergänzung
  zu den bisherigen finanziellen Unterstützungen im Selbsthilfebereich durch öffentliche
  Mittel des Bundes, der Länder und Gemeinden verstehen. Die Unterstützung
  gilt nur für die gesundheitsbezogene Selbsthilfe bzw. für die Selbsthilfe
  zur Bewältigung körperlicher und psychischer Erkrankungen. Die finanzielle
  Unterstützung soll 1 DM pro versicherte Person und Jahr betragen und kann
  projektbezogen und pauschal gegeben werden. Selbsthilfegruppen,
  -Organisationen und -Kontaktstellen können projektbezogene Unterstützungen für
  „Information, Aufklärung und Beratung der Betroffenen, ihre Angehörigen
  oder andere interessierte sowie Qualifizierungsmaßnahmen, die im
  Zusammenhang mit der Selbsthilfearbeit stehen“ sowie für „Öffentlichkeitsarbeit
  und Durchführung von Veranstaltungen und Aktionen (z.B. Broschüren,
  Informationsmedien, Kongresse, Workshops, Seminare, Selbsthilfetage)“
  beantragen und erhalten.   Wenn Selbsthilfegruppen also Fortbildungsmaßnahmen
  mit PsychologInnen (Vorträge, Workshops, Seminare) durchführen wollen, können
  sie dafür finanzielle Unterstützungen von Krankenkassen erhalten.
  Dementsprechend kann es sich also für PsychologInnen lohnen, den
  Selbsthilfegruppen, -Organisationen und -Kontaktstellen entsprechende Angebote
  zu machen. |